“Auf Augenhöhe” veröffentlicht in
>>> der Freitag <<<

Bismarck Neu Denken
Ideenwettbewerb

Wie geht man mit dem Bismarckdenkmal um?
Wie kann die Macht der übermächtigen Heldendarstellung relativiert, kontextualisiert und damit unweigerlich gebrochen werden? Wie gehen wir heute und in Zukunft mit Monumenten um, deren Schöpfer versucht haben, idealisierte Narrative zu definieren und über alle Zeiten zu transportieren, die aber im zeitgenössischen Verständnis nicht mehr funktionieren oder hochumstritten sind? Das alles, ohne gleichzeitig die Geschichte komplett zu überschreiben und damit ähnlich autoritär wie die Erfinder der Heldendenkmäler zu agieren?
Wohl wissend, dass sich auch der aktuelle Kontext wieder verändert und damit auch unsere heutigen Positionen und Vorstellungen zur Rekontextualisierung infrage gestellt werden, muss ein Ansatz gesucht werden, der diese Volatilität berücksichtigt.
Die Haltungen zur Person Bismarck waren bereits bei der Errichtung seines Denkmals vielfältig und kontrovers. Die ursprünglich vor allem innerdeutsch formulierte Kritik an der einseitigen Verehrung Bismarcks wurde durch die Erweiterung um den Umgang mit dem kolonialen Erbe und vor allem der anschwellenden Diskussion über die Aufarbeitung der kolonialen Verbrechen international. Sichtweisen auf das umstrittene umfangreiche Schaffen und Erbe Bismarcks sind so divers, dass eine einheitliche Positionierung nicht möglich war, ist oder in Zukunft sein wird.

Eine heute behauptete Eindeutigkeit wäre eitel, die Debatte um das Denkmal zeigt, dass der Versuch, eine Deutungshoheit herzustellen, schon einmal gescheitert ist. Das Prinzip der Heldendarstellung, der absoluten Meinungen, ist gescheitert. Eine Gegenposition sollte daher nicht versuchen, selbst eine starke, subjektive Haltung zu formulieren, sondern Annäherung und Auseinandersetzung möglich machen.

MONUMENTALITÄT BRECHEN
Das Bismarck-Denkmal zeichnet die gewählte übermenschliche Größe und damit verbundene Überhöhung der Person Bismarcks aus. Seine weit sichtbare Zeichenhaftigkeit ist Teil dieser Inszenierung. Seine (Deutungs-)Höhe und der damit verbundene Weitblick, der Bismarck nicht nur symbolisch zugeschrieben wird, ist (im derzeitigen Zustand) für uns nicht erreichbar. Diese Höhe zu überwinden und damit die Monumentalität zu brechen, sehen wir als wichtigen Teil der Aufgabe.

AUF AUGENHÖHE
Wir sollten dem Unerreichbaren ebenbürtig gegenübertreten können und auch seine Sicht einnehmen. Die so hergestellte Nähe bricht seine Autorität und schafft die Grundlage für Kritik und Auseinandersetzung. Konkret bedeutet das, dass die Möglichkeit geschaffen wird, mit einer Treppenanlage vom Fuße des Denkmals bis zu einer Plattform vor dem Gesicht Bismarcks zu gelangen. Die Konstruktion ist additiv, selbsttragend und soll so leicht wie möglich ausgebildet werden, um das Denkmal nur punktuell zu berühren. Dabei soll konstruktiv nur der Sockel genutzt und die Figur selbst (konstruktiv) unangetastet bleiben. Das Denkmal soll in seiner Gänze erfahrbar bleiben, die Monumentalität noch spürbar, um das Objekt der Debatte nicht zu verniedlichen und den Anlass der kritischen Auseinandersetzung nicht zu verdecken. Das Gegendenkmal selbst muss gleichwohl auch aus der Nähe und in der Ferne erkennbar sein, um die Wirkmacht des „Riesen” zu schwächen. Die neue Konstruktion tritt baulich selbst in den Dialog mit der alten Struktur, ohne diese unsichtbar zu machen. Ihre feingliedrige, leichte Ausbildung bildet bewusst einen Gegensatz zur Massivität des steinernen Mannsbildes. Sie ist selbstbewusst genug, die alte Macht zu brechen und mit offenen Augen von Angesicht zu Angesicht der Vergangenheit gegenüberzutreten.

KRITIK & KOLONIALISMUS
Ist der Zugang geschaffen, kann er auch begleitet werden. Auf den unterschiedlichen Plattformen können in Form von Stelen, Audioinstallationen und digitalen „Toren” (QR-Codes) Informationen zur Verfügung gestellt werden, die den Diskurs zur Person Bismarck und auch die übergeordneten gesellschaftlichen Debatten ausstellen.
Dieser ausgestellte Diskurs kann so lebendig bleiben und zusammen mit den Besucher*innen weitergeführt werden.